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Sehr oft verwickeln wir uns in Diskussionen um den einen oder anderen Beweis für die menschengemachte globale Erwärmung und sehen dadurch den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es ist deshalb umso wichtiger immer wieder etwas Abstand zu gewinnen und zu erkennen wie alle Bäume einen kompletten Wald ergeben. Skeptical Science ist eine unschätzbare Quelle, um jeden einzelnen Beweis für den Klimawandel zu untersuchen. Wir sollten diese einzelnen Beweise also nutzen, um zu sehen, wie das große Ganze aussieht.
Die Erde erwärmt sich
Bodenstationen und Satelliten, die die Temperaturen an der Erdoberfläche und in der unteren Atmosphäre messen, zeigen uns, dass sich der Planet erwärmt. Es sind auch verschiedene Instrumente im Einsatz, die eine Erwärmung der Ozeane gemessen haben. Satelliten haben ein Energie-Ungleichgewicht ganz oben in der Erdatmosphäre gemessen. Gletscher, Meereis und Eisfelder nehmen ab. Meeresspiegel steigen an. Der Frühling beginnt jedes Jahr früher. Es gibt schlicht keine Zweifel - der Planet wird immer wärmer.
Die Erwärmung setzt sich übrigens fort. Das erste Jahrzehnt im 21. Jahrhundert war wärmer als die 90er Jahre, die wärmer waren als die 80er, die wärmer waren als die 70er Jahre. 2010 ist auf dem besten Weg, es zumindest unter die wärmsten drei Kalenderjahre der gesamten Aufzeichnungen zu schaffen. Tatsächlich ist es so, dass der fortlaufende 12-Monatsdurchschnitt der globalen Temperaturen nach den Daten von NASA GISS den Rekord in 2010 dreimal gebrochen hat. Der Meeresspiegel steigt immer noch an, das Eis zieht sich immer noch zurück, der Frühling kommt immer noch früher, es gibt nach wie vor ein Energie-Ungleichgewicht, usw... Im Gegensatz zu dem, was uns einige verklickern wollen, hat der Planet nicht durch Zauberkraft aufgehört sich zu erwärmen.
Der Mensch verursacht diese Erwärmung
Es gibt überwältigende Beweise dafür, dass die Menschheit die hauptsächliche Ursache dieser Erwärmung ist, vor allem durch die Emissionen von Treibhausgasen. Basierend auf den physikalischen und mathematischen Grundlagen können wir die Größenordnung der durch den Menschen verursachten Erwärmung quantifizieren, und können dadurch verifizieren, dass wir für praktisch die komplette globale Erwärmung der letzten drei Jahrzehnte verantwortlich sind. Tatsächlich ist zu erwarten, dass die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen zu einer stärkeren als der bisher bereits erfolgten Erwärmung führen werden. Dies liegt an der Wärmeträgheit der Ozeane (dies ist die Zeit, die benötigt wird, sie zu erwärmen). Außerdem gleichen die von Menschen verursachten Aerosolemissionen durch die globale Verdunkelung die Erwärmung zu einem erheblichen Maße aus.
Es gibt zahlreiche "Fingerabdrücke", die wir bei einem sich verstärkenden Treibhauseffekt erwarten würden und die tatsächlich auch beobachtet werden (z. B. stärkere Erwärmung bei Nacht, in höheren Breiten oder eine Abkühlung der oberen Atmosphäre). Klimamodelle haben die sich ergebende Erwärmung mit einem hohen Maß an Genauigkeit vorhergesagt. Das belegt, dass wir die grundlegende Physik die hinter dem Klimwandel steckt, sehr gut verstehen.
Manchmal wird gefragt, "was wäre notwendig, um die Theorie vom menschengemachten Klimawandel zu falsifizieren?". Nun, es würde eigentlich bedeuten, dass unser grundlegendes Verständnis der Physik falsch wäre, da die Theorie ja darauf aufbaut. Diese physikalischen Grundlagen sind durch wissenschaftliche Experimente seit Jahrzehnten bis zu Jahrhunderten untersucht und hinterfragt worden.
Die Erwärmung wird weitergehen
Wir wissen ebenfalls, dass sich der Planet weiter erwärmen wird, wenn wir weiterhin große Mengen von Treibhausgasen ausstoßen. Wir wissen, dass die Klima-Sensivität bei einer Verdopplung des atmosphärischen CO2 vom vorindustriellen Level mit 280 Teilchen pro Millionen pro Volumen (ppmv) auf 560 ppmv (wir sind zur Zeit bei 390 ppmv) eine Erwärmung zwischen 2 und 4,5°C verursachen wird. Und wir befinden uns auf dem Weg zu 560 ppmv bis zur Mitte oder dem späteren 21. Jahrhundert wenn wir mit den Emissionen so wie bisher weitermachen.
Die Folgen werden insgesamt negativ sein
Es wird ein paar positive Auswirkungen dieser anhaltenden Erwärmung geben. Dazu gehören eine offene Nordwest-Passage, besseres Wachstum einiger Pflanzenarten, verbesserte Landwirtschaft in höheren Breiten (dies wird jedoch die Anwendung von zusätzlichem Dünger notwendig machen) usw. Die negativen Auswirkungen werden aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die positiven bei weitem überwiegen. Wir reden hier von abnehmender Artenvielfalt, Wasserknappheit, Zunahme von Hitzewellen (sowohl was die Häufigkeit als auch was die Heftigkeit angeht), als Folge dieser Auswirkungen geringere landwirtschaftliche Erträge, Schäden bei der Infrastruktur, Entwurzelung von Millionen von Menschen und vieles andere mehr.
Gegenteilige Argumente sind oberflächlich
Eines der Dinge, das beim Lesen von skeptischer Kritik an den Klimawissenschaften auffällt, ist dass sie immer an der Oberfläche bleibt. Hier ist ein Beispiel: die Kritik an James Hansens Voraussagen aus dem Jahr 1988 zur globalen Erwärmung geht nie weiter als zu behaupten "er lag falsch", obwohl es in der Realität wichtig ist, zu beurteilen, was die Diskrepanz zwischen seinen Vorhersagen und den tatsächlichen Klimaveränderungen verursachte und was wir daraus lernen können. Und diejenigen die behaupten, das "es die Sonne ist", begreifen nicht, dass wir die grundlegenden Mechanismen verstehen, durch die die Sonne das globale Klima beeinflusst und dass sie den aktuellen Erwärmungstrend nicht erklären können. Und diejenigen die damit argumentieren, dass es "nur ein natürlicher Zyklus ist", scheinen nicht in der Lage zu sein, diesen natürlichen Zyklus zu identifizieren, der die aktuelle Erwärmung erklärt. Außerdem können sie nicht erklären, weshalb unser Verständnis der grundlegenden Klimaphysik falsch ist.
Es gibt legitime ungelöste Fragen
Es wird viel Aufhebens um die Aussage "die wissenschaftliche Sachlage ist eindeutig" gemacht. Nach meiner persönlichen Meinung ist es wissenschaftlich eindeutig, wenn es darum geht zu beurteilen, dass sich der Planet gefährlich schnell erwärmt und dass die Menschen der Hauptgrund dafür sind.
Es gibt natürlich ungeklärte Probleme. Es ist ein großer Unterschied zwischen einer Erwärmung um 2°C oder um 4,5°C bei einer Verdoppelung des atmosphärischen CO2. Dies ist eine wichtige Frage, die geklärt werden muss, weil wir wissen müssen, wie schnell sich die Erde erwärmen wird, damit wir wissen, wie schnell wir die Treibhausgasemissionen reduzieren müssen. Bei einigen Rückkopplungen gibt es bedeutende Unsicherheiten, die bei dieser Frage eine Rolle spielen. Werden Wolken während sich die Erde erwärmt z. B. in der Summe eine positive Rückkopplung bewirken (in dem sie die Wärme zurückhalten, was zu einer stärkeren Erwärmung führt) oder wird sich die Rückkopplung negativ auswirken (in dem die Wolken mehr Sonnenlicht reflektieren, was zu einer Abkühlung führt)?
Dies sind die Arten von Fragen, über die wir diskutieren sollten und es sind diese Probleme, die von den meisten Klimawissenschaftlern untersucht werden. Unglücklicherweise gibt es einen großen Bevölkerungsteil, der entschlossen ist, weiterhin über die bereits gelösten Fragen zu diskutieren, bei denen das Resultat längst eindeutig ist. Und wenn Klimawissenschaftler gezwungen werden, auf die anhaltende Verbreitung von Falschinformationen zu diesen gelösten Fragen zu antworten, lenkt sie das nur von der Untersuchung der legitimen, ungelösten und wichtigen Fragen ab.
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Insgesamt gesehen, wissen wir, dass sich die Erde erwärmt, dass die Menschen dies verursachen und dass ein großes Risiko damit verbunden ist, so wie bisher weiterzumachen. Wir wissen jedoch nicht genau, wie groß das Risiko ist. Die Unsicherheit in Bezug auf die Größe des Risikos ist jedoch keine Entschuldigung dafür, es zu ignorieren. Wir wissen auch, dass - wenn wir so wie bisher weitermachen - das Risiko von katastrophalen Auswirkungen sehr hoch ist. Je größer die Unsicherheit ist, desto größer ist auch das Potenzial für das Eintreten der Szenarien mit besonders hohen Risiken. Wir müssen weiter daran arbeiten, die Unsicherheiten zu verringern. Es ist aber auch sehr wichtig einzugestehen, was wir wissen, welche Fragen bereits gelöst worden sind und dass es keine Option ist, nichts zu tun.
Translation by BaerbelW. View original English version.