Zwei Jahrhunderte Klimageschichte: Teil Drei - von Manabe bis heute, 1966-2012
Die Tatsache, dass Kohlendioxid ein "Treibhausgas" ist - also ein Gas, das verhindert, dass ein gewisser Anteil der Wärmestrahlung zurück ins Weltall entweicht und dadurch für ein relativ warmes Klima auf der Erde sorgt, geht auf eine Idee zurück, wenn auch nicht speziell auf CO2 bezogen, die fast 200 Jahre alt ist. Diese dreiteilige Geschichte über diese wichtigen physikalischen Eigenschaften, seine Rolle in der geologischen Vergangenheit und ein Verständnis, wie es unsere Zukunft beeinflussen könnte, umspannt fast zwei Jahrhunderte mit Fragen, Entdeckungen, Innovationen und Problemlösungen.
Dies ist Teil Drei der Serie, zu der auch Teil Eins und Teil Zwei gehören.
Illustration: jg
Wir beginnen diesen dritten Teil der Geschichte mit einem Durchbruch. Bis 1967 war das erste Computermodell, das das Klima der ganzen Erde simulierte, von Syukuro Manabe in Zusammenarbeit mit Richard Wetherald entwickelt worden. Auch wenn es verglichen mit heutigen Modellen recht einfach aufgebaut war, fanden sie damit trotzdem heraus, dass die Bewegung der Wärme mittels Konvektion die Temperaturen davon abhielten, außer Kontrolle zu geraten. Wenn sich jedoch die CO2-Konzentration verdoppelte, würden die Termperaturen um ungefähr 2°C ansteigen. Konvektive Aufwinde, wie solche, die zur Entwicklung von Gewittern führen können, transportieren sehr viel Wärme von der Erdoberfläche hoch bis zur oberen Troposphäre. Eine sich erwärmende Oberfläche verstärkt den Prozess, so dass immer mehr Wärme nach oben getragen wird und sie schließlich so weit oben landet, dass sie ins All zurückgestrahlt werden könnte. Wenn die Oberfläche wärmer würde, würde die Konvektion mehr Wärme nach oben tragen. Dieser wichtige zusätzliche Kontrollmechanismus erklärte ein seit langem ungelöstes Problem, das wenige Forscher - mit der bemerkenswerten Ausnahme von Hulburt - ausgiebig untersucht hatten.
Trotz dieser Fortschritte wurden unter Wissenschaftlern immer noch Zweifel geäußert: der Klimatologe Helmut Landsberg äußerte sich 1970 dahingehend, dass der CO2-Anstieg mit der damaligen Geschwindigkeit zu einem Temperaturanstieg von 2°C in den nächsten vier Jahrhunderten führen würde. Dies konnte man seiner Meinung nach "wohl kaum katastrophal nennen". Der Klimatologe Hubert Lamb sowie einige andere wiesen auch auf Unsicherheiten hin. Eine davon war, dass frühere aus historischen Daten bekannte Temperaturschwankungen vergangener Jahrhunderte nicht erklärt werden konnten. Außerdem waren die Temperaturen seit den 40er Jahren leicht zurückgegangen, obwohl die Kohlendioxidkonzentration angestiegen war. Was ging da vor sich? S. Ichtiaque Rasool und Stephen Schneider von der NASA modellierten z. B. die Auswirkungen der Luftverschmutzung durch Aerosole und Schwefelemissionen in der Atmosphäre und fanden heraus, dass ein deutlicher Anstieg dieser Verschmutzung - möglicherweise - zu einer Periode der Abkühlung führen könnte. Diese Art von Erkenntnissen ließen eine Minderheit von Wissenschaftlern und eine größere Gruppe von Kommentatoren gar Überlegungen anstellen, ob die gegenwärtige Zwischeneiszeit zu Ende gehen könnte. Standen wir kurz vor einer neuen Eiszeit? Den Medien gefiel das: obwohl nur eine Minderheitsmeinung, hörte es sich hübsch dramatisch an und führte deshalb zu Schlagzeilen.
Es gab nur einen Weg um herauszufinden, was wirklich passierte: die Forschungsaktivitäten mussten fortgesetzt werden. In den 70er Jahren und bis hinein in die 80er gab es weitere wichtige Entwicklungen, flankiert ab Mitte der 70er Jahre von einer neuerlichen Erwärmung. Identifiziert werden konnten zusätzliche und in manchen Fällen stärkere Treibhausgase wie Methan oder der Beitrag zum Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre durch andere menschliche Aktivitäten wie Abholzung und Zementherstellung. Die temperaturverändernden Eigenschaften der Luftverschmutzung durch Schwefelemissionen oder Aerosole und ihre Bedeutung für die Abkühlung der nördlichen Halbkugel nach 1940 wurden besser verstanden. Die Wissensbasis nahm von Jahr zu Jahr weiter zu. Es wurde erkannt, dass sowohl Pflanzen als auch die Meere über einen bestimmten Zeitraum hinweg nur eine begrenzte Menge Kohlendioxid aufnehmen konnten. Computermodelle wurden kontinuierlich verbessert, weil die Parameter besser verstanden wurden. In einer im Magazin Nature 1981 veröffentlichten Studie stellten die Klimawissenschaftler Tom Wigley und Phil Jones fest: "Vor dem Ende des Jahrhunderts werden sich die Auswirkungen des CO2 noch nicht bemerkbar machen. Ab dann werden die atmosphärischen CO2-Konzentrationen wahrscheinlich ausreichend hoch sein (und sie werden auch danach weiter steigen) , so dass eine deutlich stärkere Klimaveränderung als jede andere im vergangenen Jahrhundert unvermeidbar wird."
Bohrkerne aus den Eisschilden Grönlands und der Antarktis wurden zu einem wichtigen Bereich der Klimaforschung zur Untersuchung vergangener Zeiten. Im Eis sind kleinste Blasen prähistorischer Luft aus der Zeit seiner Entstehung eingeschlossen. Sobald eine zuverlässige Methode zum Isolieren und zur Analyse dieser Luft gefunden worden war (mittels Vakuum), war es möglich, eine Vorstellung der Zusammensetzung der Atmosphäre früherer Epochen über Eiszeiten und Zwischeneiszeiten hinweg zu erhalten. Es wurde festgestellt, dass zu den kältesten Zeiten der letzten Eiszeit, die Kohlendioxidkonzentration mit wengier als zweihunder Teilen pro Millionen sehr niedrig waren. Bis Mitte der 80er Jahre war der bekannte Vostok-Eisbohrkern bis auf eine Tiefe von 2km gebohrt worden. Dies entspricht 150.000 Jahren der Klimageschichte und damit einem kompletten Interglazial-Eiszeit-Interglazial-Zyklus. Die Kohlendioxid-Schwankungen zeigten eine bemerkenswerte Übereinstimmung mit den Temperaturen.
Die Daten aus den Eisbohrkernen deuteten auch erstmals auf einen anderen Aspekt der Rolle der Treibhausgase hin: Rückkopplungen. Selbst wenn Perioden mit Erwärmung zunächst durch Veränderungen in der Erdumlaufbahn ausgelöst wurden, wurden durch diese Erwärmung Treibhausgase aus Quellen wie den Ozeanen und auftauendem Permafrost freigesetzt. Diese zusätzlichen Treibhausgase wirkten dann wie mächtige Verstärker der ursprünglichen Erwärmung. Die gegenteilige Entwicklung war durch eine verstärkte Entnahme von Treibhausgasen ebenfalls möglich, was dann zu einer Temperaturabnahme bis hin zu einer Eiszeit führen konnte. Da die Kohlendioxidkonzentration aber nun deutlich höher war als irgendwann in den vergangenen 2 Millionen Jahren und zwar sowohl während Eiszeiten als auch Interglazialen, war es ganz klar geworden, dass der Treibhauseffekt etwas war, das wir extrem ernst nehmen mussten. Obwohl der genaue zukünftige Temperaturanstieg noch nicht bekannt war und die Fehlerbalken noch recht groß waren, wiesen die Modelle darauf hin, dass eine Verdopplung von Kohlendioxid in Relation zu den vorindustriellen Werten, zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen um drei Grad Celsius am wahrscheinlichsten war.
Ein anderer Forschungsbereich befasste sich mit den wesentlich langsamer ablaufenden Klimaveränderungen lang vergangener Zeiten. Nachdem die Plattentektonik verstanden worden war, wurde es durch den Einsatz einer Vielzahl von geologischen Verfahren möglich, die Kontinentalverschiebungen über viele hundert Millionen Jahre hinweg zurückzuverfolgen. Diese paleogeografischen Rekonstruktionen zeigten in Fossilien der Flora und Fauna, dass sich wärmeliebende Arten zu bestimmten teilweise mehrere Zehnmillionen Jahre lang dauernden Perioden über deutlich mehr Breitengrade verteilten als dies heute der Fall ist. Der gesamte Planet muss sich eines wärmeren Klimas erfreut haben und vor allem die Pole waren im Vergleich zu heute besonders warm. Da nun auch die Beziehung zwischen Kohlendioxid und den Temperaturen besser verstanden wurde, wendete sich die Aufmerksamkeit diesen vergangenen "Treibhaus" Perioden zu und es wurden immer mehr Beweise dafür gefunden, dass die Kohlendioxidkonzentrationen damals tatsächlich viel höher waren.
Diese Erkenntnis lieferte auch die Erklärung für ein anderes geologisches Problem, das sogenannte "Parodoxon der schwachen jungen Sonne". Astrophysiker wussten bereits seit längerem, dass die Sonne ein Hauptreihenstern ist und dass sie kontinuierlich um etwa 10% pro Milliarde Jahre stärker strahlte. Sie musste also vor langer Zeit wesentlich schwächer gewesen sein. Geologen wussten von ziemlich weitreichenden Vereisungen in der Vergangenheit. So hatte es zum Ende des Ordoviziums vor ca. 445 Millionen Jahren eine Eiszeit gegeben. Wenn man noch weiter zurückschaut, gab es im Proterozoikum riesige vielleicht gar globale Vereisungen. Von diesen letztgenannten Ereignissen sind typische Gesteinsschichten übriggeblieben, die aus vom Eis zurückgebliebenen Geschiebemergel (uralter Gesteinslehm, mittlerweile fester Fels) bestehen, über denen nach einer Ablagerungsgrenze Karbonatsgestein liegt. Dies sind chemische Sedimente ozeanischen Ursprungs, die während den Zwischeneiszeiten nach einem Anstieg des Meeresspiegels abgelagert wurden. Grundsätzlich war das Klima trotz der schwachen Sonne außerhalb dieser eiskalten Episoden warm, sogar wärmer als es eigentlich hätte sein dürfen.
oben: die Visitenkarte einer früheren Eiszeit - ein Felsen in Namibia mit uraltem (proterozoischem) Mergel glazialen Ursprungs (Tillite), über dem eine dolomitische "Karbonat" Sequence ozeanischen Ursprungs (cap carbonate) liegt, die während den wärmeren nacheiszeitlichen Bedingungen abgelagert wurden. Photo: P. Hoffmann.
Um dies zu erklären, war ein Verständnis für den Kohlenstoffzyklus entscheidend: es wurde realisiert, dass über die Erdzeitalter hinweg, die Konzentration von Kohlendioxid und anderen nicht-kondensierenden Treibhausgasen einen großen Einfluss auf die globalen Temperaturen gehabt hatten. Bei Kohlendioxid gab es Quellen und Senken, aber immer wieder kam es zu großen Ausschlägen nach oben oder unten als ungewöhnlich starke Quellen oder Senken das Bild dominierten. Diese Störungen wurden in den Gesteinsschichten festgehalten. Starke Quellen, wie z. B. Episoden mit außergewöhnlich starker Vulkanaktivität bedeckten Flächen von der Größe ganzer Kontinente fast komplett mit Lava und Tuff und hinterließen dadurch ihre Visitenkarten für die Untersuchungen der Geologen. Das gleiche gilt für ausgeprägte Senken: als die Kontinente aufeinander prallten, bildeten sich Gebirgsketten, wodurch unvorstellbar große Mengen von Felsgestein der Verwitterung ausgesetzt wurden. Hierbei spielt im Regenwasser gelöstes Kohlendioxid eine der wichtigsten Rollen. Diese zeitweise auftretenden Störungen waren entsprechend für wärmere oder kältere Klimaepisoden verantwortlich. Es war fast so, als würden diese nicht-kondensierenden Treibhausgase als Thermostat des Planeten fungieren.
Rekonstruktionen vergangener Treibhausbedingungen haben gezeigt, dass die Temperaturen im Schnitt um etwa 6 Grad höher waren und an den Polen sogar noch höher, wo es keine Eiskappen gab sondern Flora und Fauna gemäßigter bis subtropischer Breiten existierte, wie an den Fossilien aus diesen Gegenden abgelesen werden kann. Es gibt allerdings einen sehr wichtigen Unterschied zwischen damals und heute: die früheren Veränderungen der Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre liefen verglichen mit heute meistens im Schneckentempo ab - heutzutage steigen die Konzentrationen exponentiell an - schneller und schneller und schneller. Außerdem wurden sehr schnelle (über wenige Zehntausend Jahre ablaufende) Veränderungen in der geologischen Vergangenheit oft von Massenaussterben begleitet, weil die Bedingungen sich schneller veränderten als Ecosysteme sich daran anpassen konnten. Genau in dieser Zeit als sich herauskristallisierte, wie schlimm es kommen könnte, wurde 1988 der Weltklimarat (IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change) gegründet.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren die großen Risiken allzu offensichtlich geworden, die mit dem fortwährenden Herumpfuschen am Thermostat der Erde einhergingen. Hierzu gehören zahlreiche Probleme: extreme und noch nie dagewesene Dürren, die die Landwirtschaft in einigen Gegenden in Mitleidenschaft ziehen, zu weltweit stark überhöhten Lebensmittelpreisen führen und bessere Bedingungen für Brände schaffen; in anderen Gegenden gibt es extreme Regenfälle, die zu großflächigen Überschwemmungen, zur Zerstörung von Anbauflächen, zu Toten und Verlust/Beschädigungen von Eigentum führen. Der Anstieg des Meeresspiegels über mehrere Jahrzehnte hinweg wird die Landwirtschaft ebenfalls durch den Wegfall fruchtbarer tiefliegender Ackerflächen beeinträchtigen Außerdem führt er zur Vertreibung der Bevölkerung und zu Massenmigrationen. Die Menschheit war also faktisch dabei, bestimmte Gebiete der Erdoberfläche für zukünftige Generationen unbewohnbar zu machen.
Es soll hier auch nicht unerwähnt bleiben, dass in den 90er Jahre gut finanzierte und politisch motivierte Organisationen [Anmerkung: speziell in den U.S.A.] entstanden, die sich gegen die Klimawissenschaften stellten. Eine der ersten davon war 1991 der so genannte Information Council on the Environment. In den letzten Jahren des Jahrzehnts gab es auch das American Petroleum Institute mit seinem 1998 "Global Climate Science Communication Action Plan", aus dem nachfolgend ein Ausschnitt zu sehen ist (Bildschirmbild einer PDF-Kopie, die auf der Webseite climatesciencewatch.org abrufbar ist). Diese Kampagne war hauptsächlich eine Reaktion auf das im Dezember 1997 unterzeichnete Kyoto Protokoll zur Begrenzung der Emissionen.
Als Sieg betrachtet werden kann, wenn
- Durchschnittsbürger "verstehen" (erkennen an), dass es Unsicherheiten in den Klimawissenschaften gibt; wenn die Bestätigung dieser Unsicherheiten zur gängigen Meinung wird
- Medien "verstehen" (erkennen an), dass es Unsicherheiten in den Klimawissenschaften gibt
- die Berichterstattung in den Medien eine Balance hält zwischen den Klimawissenschaften und der Ansicht, die die gängige Meinung in Frage stellt
- das Management der Industriekonzerne die Unsicherheiten der Klimawissenschaften versteht und sie zu stärkeren Vertretern macht, die die Klimapolitik beeinflussen
- die Verfechter des Kyotoprotokolls auf Basis der bestehenden Wissenschaft als weltfremd wahrgenommen werden
Die meisten der Leser werden mit den seit damals geführten politischen Grabenkämpfen vertraut sein. Auf die jüngere Geschichte der Klimawissenschaften des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts wird in zahlreichen Artikeln sowohl hier auf Skeptical Science und auf anderen Seiten wie Realclimate eingegangen. Die grundlegenden Prinzipien bleiben bestehen, es wird aber an allen Stellen an den Feinjustierungen gearbeitet: es werden bessere Methoden zum Datensammeln entwickelt, diverse Probleme mit den Proxies, die zum Verständnis der Temperaturen vergangener Zeiten verwendet werden, werden ausgebügelt und das Monitoring wird verbessert. Fourier, Tyndall und Arrhenius waren allerdings vor vielen Jahren bereits auf dem richtigen Weg, als ihre Pionierarbeit dazu führte, herauszufinden, wie das Erdklima funktioniert. Dies ist sicherlich etwas, das sich lohnt im Zuge von Diskussionen parat zu haben, wenn jemand behauptet, dass es die Klimawissenschaften erst seit einigen Jahrzehnten gibt!
Illustration: jg
Weiterführende Informationen
Das Buch The Discovery of Global Warming von Spencer Weart liefert eine sehr detaillierte Beschreibung der Geschichte der Klimawissenschaft mit einer Fülle von Referenzen - es ermöglicht viele Tage detaillierter Studien für alle diejenigen, die über die Blogoshpäre hinaus möchten.
Translation by BaerbelW. View original English version.