Wie sieht es denn nun aus, das zukünftige Klima?
Robert Watson, ehemaliger Vorsitzender der Internationalen Klimakommission, machte neulich Schlagzeilen als er erklärte, dass wir es nicht schaffen werden, die Klimaerwärmung unter dem 2-Grad "Sicherheitslimit" zu halten. Letzten April warnte auch die Internationale Energiebehörde davor, dass uns die Zeit, die wir noch haben, um unter dieser 2-Grad Erwärmung im Vergleich zum 19 Jahrhundert zu bleiben, sehr schnell zerrinnt. Dieser Pessimismus wird recht gut durch die folgende "Abfahrts"-Grafik illustriert, in der gezeigt ist, wie steil unsere globalen Emissionskürzungen sein müssten, damit wir eine gute Chance haben, unter dieser 2-Grad Grenze zu bleiben. Dabei geben die Punkte auf jeder Kurve das Jahr wieder, in dem die höchsten CO2 Emissionen erwartet würden.
Abbildung 1: Drei mögliche Szenarien, die die notwendige Emissionsentwicklung beschreiben, um die kumulativen globalen CO2 Emissionen unter 70 Milliarden Tonnen bis zum Jahr 2050 zu halten. Quelle: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, WBGU (2009)
Wir wissen, dass die globalen CO2 Emissionen zur Zeit immer noch steigen, und zwar zuletzt um ca. 1 Milliarde Tonnen während 2010 trotz nahezu globaler Rezession; die grüne Kurve ist daher bereits hinfällig. Weiterhin gibt es nur wenige Fortschritte oder Anzeichen dafür, dass das Kyoto Protokoll in den nächsten Jahren durch ein neues Abkommen ersetzt werden wird, so dass das Szenario, das die blaue Kurve wiedergibt, ebenfalls unwahrscheinlich ist. Wollten wir im Jahre 2015 den Zenit der globalen Emissionen überschreiten, müssten bereits heute weit ernsthaftere Eingriffe zur Reduktion der Emissionen getätigt werden, was voraussichtlich nicht geschieht. Daher erscheint die rote Kurve umso wahrscheinlicher, jedoch sind die nach einem Zenit in 2020 notwendigen Einschnitte volkwirtschaftlich so enorm, dass es wiederum unwahrscheinlich ist, dass die Menschheit in der Lage sein wird, solche drastischen Maßnahmen umzusetzen. Was bleibt, ist das Eingeständnis, dass wir das Ziel einer maximalen Erderwämung von 2 Grad Celsius in der Tat verpassen werden.
Es ist daher von Interesse zu fragen, wie denn eine Welt nach einer Erwärmung über 2 Grad aussehen wird.
Auswirkungen der Erderwärmung
Der letzte IPCC Bericht aus dem Jahr 2007 hat die erwarteten Auswirkungen als Folge einer globalen Erwärmung verschiedener Stärken hier zusammengefasst. Die unten stehende Grafik zeigt Auswirkungen als Funktion steigender Temperaturen seit 1990 (als es bereits 0.6 Grad Celsius wärmer war als im 19. Jahrhundert)
Abbildung 2: Beispiele globaler Effekte erwarteter Klimaveränderungen im 21. Jahrhundert als Funktion des Temperaturanstiegs im Vergleich zu mittleren Temperaturen zwischen 1980 und 1999. Schwarze Linien verbinden Auswirkungen, gestrichelte Linien zeigen Kontinuität dieser Auswirkungen mit steigender Temperatur. Eintragungen wurden so im Graph platziert, dass die linke Seite des Eintrags den ungefähren Beginn der Auswirkungen widerspiegelt. Quantitative Eintragungen zum Wasserstress und Überflutungen zeigen zusätzliche Auswirkungen einer Erwärmung relativ zu erwarteten Zuständen, die im Spezialbericht "Special Reports on Emission Scenarios" (SRES) beschrieben sind. Anpassungen an den Klimawandel sind in dieser Abbildung nicht enthalten. Die statistische Sicherheit für alle Aussagen im Graph ist hoch. Quelle: IPCC AR4, WG II Figure SPM.2. Bitte klicken Sie auf die Abbildung für eine größere Version.
Wie man erkennt, treten einige Auswirkungen der Erderwämung bereits unter einer 2-Grad Erwärmung auf, wie z.B. dass hunderte von Millionen Menschen mit weniger Wasser vorlieb nehmen müssen, Trockenheit insbesondere in mittleren Breitengraden vermehrt auftritt (hier diskutiert), mehr Korallenriffe bleichen, mehr Schäden durch Sturmfluten im Küstenbereich auftreten, und höhere Krankheits- und Sterberaten durch häufigere und intensivere Hitzewellen, Fluten, und Trockenzeiten auftreten werden. Allerdings, so glaubt die Wissenschaft, sind dies Auswirkungen, auf die sich die Menschheit einstellen kann, so dass bei entsprechender Investition keine desaströsen, destabilisierenden Konsequenzen auftreten sollten.
Sollten wir allerdings das 2-Grad Ziel überschreiten, so werden sich diese Auswirkungen nicht nur verschlimmern sondern neue auftreten. Die meisten Korallenriffe werden bleichen, und über 3 Grad Celsius weitgehend sterben. Bis zu 30% aller Arten auf der Erde wären vom Aussterben bedroht, 40% wenn die Temperaturerwärmung bis auf 4 Grad und weiter steigt. Es ist bereits heute vom "sechsten großen Artensterben auf der Erde" die Rede. Ab ca. 2.5 Grad Erwärmung wird es verstärkt zu Überflutungen im Küstenbereich kommen, die Millionen von Menschen betrifft. Des Weiteren werden zunehmende Gesundheitsprobleme mit steigenden Temperaturen erwartet.
Gründe zur Besorgnis
Ein Update zum IPCC Bericht zu den Auswirkungen der Klimaerwärmung von Smith und Kollegen (zu den auch der in der Zwischenzeit verstorbene Stephen Schneider gehörte) kam 2009 zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Zum Beispiel:
"Es ist wahrscheinlich, dass 20-30% aller bekannten Pflanzen- und Tierarten einem höheren Aussterbe-Risiko ausgesetzt sind, wenn Temperaturen über 1.5-2.5 Grad C relativ zu den mittleren Temperaturen der Jahre 1980-1999 ansteigen."
"häufigere Dürren, Hitzewellen, und Starkregen werden in vielen Regionen erwartet mit negativen Effekten, wie höherer Wassermangelstress, häufiger auftretende Flächenbrände, und Überschwemmungen sowie damit zusammenhängende Effekte im Gesundheitswesen (schon bei 1-1.5 Grad Celsius Erwärmung im Vergleich zu 1980-1999)"
"Über das 21. Jahrhundert hinweg wird die Erderwämung durch stärkere Sturmfluten an den Küsten hunderte von Millionen Menschen betreffen (ab ca. 2 Grad Erwärmung), durch vermehrten Wassermangel eine halbe bis anderthalb Milliarde Menschen (ab 1 Grad Erwärmung), und durch Gesundheitsprobleme nahezu alle Menschen auf der Erde (bereits zu beobachten)"
Smith und Kollegen aktualisierten auch den bekannten IPCC Graph "glimmende Kohlen" (siehe unten). In diesem werde neutrale Bereiche oder solche mit geringem Risiko weiß, Bereiche mit signifikant negativen Auswirkungen gelb, und Bereiche mit erhöhtem oder großflächigem Risiko negativer Auswirkungen orange bis rot dargestellt. Verschiedene Konsequenzen wurden in Gruppen zusammengefasst dargestellt, die sogenannten "reasons for concern" (RFC):
Abbildung 3: Risiken durch die Erderwämung, dargestellt in Gruppen möglicher Konsequenzen als Funktion ansteigender Temperaturen im Vergleich zu ca. 1990. Jede Kolonne entspricht einem "Grund zur Besorgnis" und repräsentiert erwartete zusätzliche Auswirkungen der globalen Erderwämung. The Farbpalette soll zunehmende Risiken mit der Temperatur veranschaulichen und sollte nicht als "gefährlicher Eingriff des Menschen" interpretiert werden, da dies eine hier nicht beabsichtigte Wertvorstellung beinhaltet. Es ist zu bemerken, dass die Periode 1900-2000 ("Past") eine Erwärmung von 0.6 Grad aufweist und bereits zu einigen Auswirkungen geführt hat, und dass die Grafik nur Risiko-Änderungen globaler Natur im Sinne des Temperaturanstiegs beschreibt, und nicht wie sich Risiken mit der Anstiegsrate verhalten. Außerdem bewertet der Graph nicht, wie einzelne Auswirkungen realisiert werden, oder wie sich Effekte verschiedener sozialer Entwicklungswege auf die Anfälligkeit einer Gesellschaft auswirken.
Ein Blick auf die Gründe zur Besorgnis:
- Das "Risiko für einzigartige und bedrohte (Öko-)Systeme" bezieht sich auf das Potential für Schäden oder unwiederbringliche Verluste einzigartiger oder bedrohter Systeme wie z.B. Korallenriffe, Gletscher in den Tropen, rote Liste der bedrohten Arten, einzigartige Ökosysteme (z. B. Galapagos), Biodiversitäts-Hotspots, kleine Inselstaaten, und eingeborene Volksgruppen
- Das "Risiko extremer Wetterereignisse" beinhaltet den Anstieg extremer Ereignisse mit substanziellen Konsequenzen für Gesellschaft oder Natur. Beispiele sind zunehmende Häufigkeit, Intensität, oder Auswirkungen von Hitzewellen, Starkregen, Dürren, Flächenbränden, oder tropischer Stürme.
- "Verteilung von Auswirkungen" bezieht sich auf Unausgewogenheiten in Auswirkungen. Einige Regionen, Länder, und Völker sind mehr bedroht als andere durch die Erderwämung, während wiederum andere profitieren könnten. Die Stärke der Effekte kann auch innerhalb einer Region oder eines Volkes variieren.
- "Aggregierte Schäden" beschreibt eine Gesamtbetrachtung von Auswirkungen. Schäden, die über den ganzen Globus verteilt sind, können oft in einer Messgröße zusammengefasst werden, wie z.B. Kosten als Geldsumme oder Leben als Zahl von Toten. Solche Gesamtbetrachtungen sind unterschiedlich je nach Art des Vergleichs ähnlicher Vorfälle, als auch in der quantitativen Bewertung der Auswirkung.
- "Risiko großräumiger Verwerfungen" repräsentiert die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Phänomene (genannt "tipping points") auftreten, die zu massiven Auswirkungen führen können. Solche sind z.B. das teilweise oder komplette Abschmelzen des westantarktischen Eisfelds oder des Grönlandeises, oder drastische Veränderungen des Klimasystems, wie z.B. eine Verlangsamung oder der Komplettzusammenbruch des Golfstroms.
Wer noch mehr erfahren will, dem empfehlen wir Mark Lynas Buch "Six degrees", welches basierend auf der wissenschaftlichen Literatur alle Auswirkungen des Klimawandels Grad für Grad Anstieg beschreibt. Eine Buchbewertung mit Zusammenfassung der wesentlichen Auswirkungen gibt es hier. Darüber hinaus hat die National Geographic Organisation in den USA eine Serie von Videos zum Six-Degrees-Thema angefertigt, die es aber derzeit nur auf YouTube zu sehen gibt.
Deshalb ist die Emissionsreduktion so wichtig
Noch ist der Anstieg über zwei Grad Celsius nicht in Stein gemeißelt, aber, nach Watson, läuft uns sehr schnell die Zeit davon, um realistisch betrachtet noch eine Chance zu haben, unter diesem selbstgesetzten Limit zu bleiben. Jedoch sind zwei Grad natürlich auch keine alles-oder-nichts Grenze. Jedes Bisschen CO2 Reduktion vermeidet eine entsprechende Erwärmung, und das bedeutet ein geringeres Risiko negativer Auswirkungen. Wie Lonnie Thompson einmal sagte, "je mehr Erwärmung wir in der Lage sind zu vermeiden, desto weniger Anpassung und Leid müssen wir in der Zukunft ertragen".
Realistisch betrachtet, im gegenwärtigen politischen Klima, insbesondere in den USA, sind zwei Grad das Beste was möglich erscheint. Allerdings sollte klar sein, dass ein großer Unterschied besteht zwischen 2 und 3 Grad, 3 und 4 Grad, und allem über 4 Grad. Letzteres kann wahrscheinlich korrekt als katastrophal beschrieben werden, da die Überschreitung einiger "tipping points" bei solch starker Erwärmung erwartet wird. Im Moment befinden wir uns auf Kurs in Richtung katastrophaler Konsequenzen (Korallensterben, massiver Verlust von Biodiversität, hunderte Millionen Menschen betroffen von Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen, etc.). Wir sitzen aber noch nicht fest auf diesem Kurs, sondern sollten den Kurs so stark wie möglich ändern, um unsere globalen CO2 Emissionen so weit wie es geht zu reduzieren.
Für den Fall, dass wir auf dem gegenwärtigen Pfad steigender Emissionen fortfahren, ist die "Katastrophe" nicht nur eine mögliche Konsequenz, sondern die wahrscheinlichste. Ein besonnenes Risikomanagement würde Schritte beinhalten, die solch ein Katastrophenszenario verhindern, unabhängig davon ob dies nur als möglich oder wahrscheinlich gilt. Das ist umso mehr der Fall weil eine wichtige Komponente solchen Managements - ein Preis auf Kohlendioxidemissionen - für relativ geringe Kosten etabliert werden kann, ähnlich wie in Deutschland bereits partiell geschehen. Denn, wie die untenstehende Abbildung 4 zeigt, die Kosten einer Kohlenstoff-Bürokratie sind als weit geringer berechnet worden als die Kosten, die durch Anpassung an die Konsequenzen des Klimawandels entstehen würden.
Abbildung 4: Geschätzte Kosten des Klimawandels unter der Annahme, dass Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Emissionen ergriffen werden (links, Grüner Hintergrund), im Vergleich zum Fehlen solcher Maßnahmen (rechts, roter Hintergrund). Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, sowie Watkiss et al., 2005
Klima-Neinsager mokieren sich oft über das Wort "Klimakatastrophe", jedoch sieht die Realität dieser Tage immer mehr danach aus. Es erscheint jedoch wichtig, dass wir nicht aufgeben, dass wir weiter danach streben, unsere Emissionen soweit irgend möglich zu verringern, um katastrophale Konsequenzen zum Wohle zukünftiger Generationen und aller auf unserer Erde lebender Arten zu vermeiden. Das zukünftige Klima wird im Vergleich zu heute für alle heute lebenden Arten weit schwieriger zu navigieren sein. Aber noch ist Zeit, das zu ändern.
Deutsche Übersetzung von Gunnar Schade
Translation by gws. View original English version.