Telegraph liegt erneut falsch mit Aussagen zu Temperaturkorrekturen
In den letzten Wochen hat es in den Medien heftige Diskussionen über die Kalibrierungen der Messdaten von Wetterstatiionen gegeben. Diese Korrekturen haben keinen großen Einfluss auf die globalen Temperaturaufzeichnungen. Sie sind jedoch notwendig, um jederzeit vergleichbare lokale Daten zu gewährleisten, auch wenn es bei gewissen Messgeräten im Zeitverlauf Veränderungen gab. Nichtsdestotrotz wurden in der britischen Zeitung "Telegraph" zwei hochgradig irreführende Berichte über solche Stationskorrekturen veröffentlicht. Der zweite Artikel enthält sogar eine nachweisbar falsche Behauptung: Die Korrekturen seien der Grund für die aktuelle rapide Erwärmung der Arktis.
Im folgenden Video von Kevin Cowtan wird erklärt, weshalb diese Behauptung falsch ist. Noch wichtiger ist jedoch, dass drei Werkzeuge vorgestellt werden, mit denen jeder diese Behauptungen selber überprüfen kann.
Der zentrale Fehler im Telegraph-Artikel ist die Behauptung, dass die Erwärmung der Arktis (und irgendwie auch der Verlust an Meereis) den Korrekturen der Wetterstationen zugeschrieben werden können. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer Untersuchung von zwei Dutzend Wetterstationen. Man kann aber natürlich alles was man möchte beweisen, wenn man sich die passenden Daten herauspickt. In diesem Fall wäre das eben die Auswahl der Stationen. Die Antwort auf diese Art der Rosinenpickerei ist, dass man sich alle relevanten Daten anschaut - hier also alle Stationsdaten der Arktis und der umliegenden Regionen. Kevin Cowtan hat sowohl die Rohdaten als auch die korrigierten Daten der NOAA (Nationale Ozean- und Atmosphärenverwaltung der USA) heruntergeladen und aus der Differenz der beiden die durchgeführten Korrekturen ermittelt. Anschließend hat er den Trend der Anpassungen - gemittelt über alle Stationen einer Rasterzelle des Globus - errechnet, um herauszufinden, ob die Korrekturen den Temperaturtrend verstärken oder verringern.
Die Ergebnisse für die letzten 50 und 100 Jahre werden in den beiden folgenden Grafiken dargestellt:
Trend der Wetterstations-Korrekturen für den Zeitraum 1965-2014, gemittelt je Rasterzelle. Warme Farben zeigen Korrekturen nach oben, kalte Farben nach unten. Für Zellen mit weniger Daten als für 50 Jahre, ist es der Trend für den jeweils verfügbaren Zeitraum.
Trend der Wetterstations-Korrekturen für den Zeitraum 1915-2014, gemittelt je Rasterzelle. Warme Farben zeigen Korrekturen nach oben, kalte Farben nach unten. Für Zellen mit weniger Daten als für 100 Jahre, ist es der Trend für den jeweils verfügbaren Zeitraum.
Die Mehrzahl der Zellen zeigt keine signifikanten Korrekturen. Die größten Korrekturen gibt es in der Hocharktis, aber es sind Korrekturen nach unten, d. h. sie verringern den Erwärmungstrend. Das ist das Gegenteil von dem, was in dem Telegraph-Artikel behauptet wird. Mit dem GHCN station browser können diese Stationen überprüft werden.
Die Korrekturen von den isländischen Stationen nach oben, die im Telegraph erwähnt werden, fanden vor der Erwärmung des späten 20. Jahrhunderts statt; die meisten davon in den 60er Jahren. Deshalb tauchen sie nur in der Karte basierend auf 100 Jahren Aufzeichnungen auf. Berkley Earth zeigt ein komplett anderes Muster der Korrekturen dieser Stationen.
Island ist ein besonders schwieriger Fall, da es sich um ein kleines Stationsnetzwerk auf einer von größeren kontinentalen Netzwerken isolierten Insel handelt. Die Lage Islands in Bezug auf den Nordatlantikstrom, der warmes Wasser aus den Tropen in Richtung des Pols transportiert, trägt möglicherweise auch dazu bei, dass die Temperaturreihen nicht zu den Daten aus Grönland oder Schottland passen. Da der Beitrag Islands jedoch in Abhängigkeit seiner Landmasse innerhalb der globalen Daten gewichtet wird, ist die Auswirkung dieser Unsicherheit minimal. Die globale Erwärmung wird auf Basis der Land-Ozean-Temperaturdaten beurteilt; die Auswirkung der Korrekturen auf die aktuelle Erwärmung ist minimal und wenn man sich alle Daten anschaut, ist sie klein im Vergleich zur kompletten Erwärmung. Wie Zeke Hausfather feststellt, sind die Korrekturen der Landtemperaturen der frühen Aufzeichnungen kleiner und gehen in die andere Richtung als die Korrekturen der Temperaturen an der Meeresoberfläche.
Auswirkungen der Wetterstationskorrekturen auf die globalen Land-Ozean-Temperaturdaten, berechnet mit dem Skeptical Science Temperaturdaten-Rechner im "CRU"-Modus.
Eine manuelle Rekalibrierung der isländischen Daten könnte ein interessantes Citizen Science Projekt darstellen. Die meisten Stationen zeigen eine gute Übereinstimmung seit 1970, weichen aber bei den früheren Aufzeichnungen ab. Die Herausforderung besteht darin herauszufinden, wieviele Anpassungen mindestens notwendig sind, um eine Übereinstimmung für den kompletten Zeitraum zu erreichen. Die Antwort wird möglicherweise nicht eindeutig sein und Rauschen sowie geographische Unterschiede könnten ebenfalls zu Problemen führen. Um Interessierte bei dieser Herausforderung zu unterstützen hat Kevin Cowtan auf die einzelnen Jahre umgerechnete Daten für die acht Stationen in einem Spreadsheet zur Verfügung gestellt.
In seinem Video zeigt er drei Werkzeuge, die für das Verstehen und Beurteilen von Temperaturkorrekturen hilfreich sind:
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Den GHCN (global historical climatology network - globales historisches Klimanetzwerk) station report browser. GHCN stellt grafische Berichte zu den Korrekturen für die Daten jeder Station zur Verfügung. Man muss allerdings die Stations-IDs kennen, um sie zu finden. Kevin Cowtan hat hierfür eine interaktive Karte erstellt, um den Zugriff zu erleichtern.
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Den Berkeley Earth station browser. Der Berkley Earth Stationsreport liefert zusätzliche Informationen, damit man versteht, weshalb bestimmte Korrekturen notwendig waren.
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Den Skeptical Science Temperaturdaten-Rechner. Hiermit können eigene Versionen der Temperaturdaten konstruiert werden, die entweder auf den korrigierten oder den unkorrigierten Daten sowohl für Temperaturen über Land als auch dem Meer basieren.
Die Daten für den Temperaturrechner können von folgenden Quellen heruntergeladen werden:
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Die GHCN Stationsdaten. Für die täglichen Durchschnittstemperaturen sind die "tavg"-Dateien relevant. Die "qca"-Dateien enthalten die korrigierten (adjusted) Temperaturen und die "qcu"-Dateien die unkorrigierten (unadjusted) Temperaturen. Die Dateien sind in ".tar.gz"-Archiven gespeichert, die mit Hilfe der meisten frei zugänglichen UNZIP-Programmen entpackt werden können.
- Die Hadley Temperaturdaten an der Meeresoberfläche. Relevant sind die Dateien HadSST.3.1.1.0.median.zip, bzw. HadSST.3.1.1.0.unadjusted.zip für die unkorrigierten Daten.
Zu guter Letzt hier noch eine Liste mit interessanten Studien darüber, weshalb diese Korrekturen notwendig sind.
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Menne et al (2009) The U.S. historical climatology network monthly temperature data, version 2.
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Bohm et al (2010) The early instrumental warm-bias: a solution for long central European temperature series 1760–2007.
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Brunet et al (2010) The minimization of the screen bias from ancient Western Mediterranean air temperature records: an exploratory statistical analysis.
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Ellis (1890) On the difference produced in the mean temperature derived from daily maximum and minimum readings, as depending on the time at which the thermometers are read
Translation by BaerbelW. View original English version.